Ein Beitrag des Karnevalverbandes Berlin-Brandenburg
HISTORISCHER KALENDER EHEMAHLIGE SOWJETISCHE BESATZUNGSZONE/ DDR
Über die Entwicklung des Brauchtums Karneval/ Fastnacht/ Fasching für das Gebiet Berlin/ Brandenburg für das Gebiet der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone/ DDR von 1945 bis 1990
Die SED-Führung verfolgte gegenüber dem Karneval einen wechselvollen Kurs. Bis 1953 gab es eine totale Ablehnung, Ignoranz bis hin zum Verbot des Karnevals. Nach dem 17.Juni 1953 wurde der Karneval zugelassen und gefördert, insbesondere auch die 1954 erlassene Verordnung über Volkskunstkollektive. Ab 1956 gab es dann wieder Ablehnung und Verbote zu karnevalistischen Aktivitäten. Ab 1961 waren alle Verbote wieder aufgehoben und 1967 wurden Karnevalsvereinigungen zugelassen. Dank eines erweiterten Kulturbegriffes zählte der Karneval ab den 70iger Jahren zum "künstlerischem Volksschaffen . Zu gleich wurde ein Instrumentarium geschaffen, um das Karnevalstreiben zu steuern. Es blieben staatliche Genehmigungen und diese Regelungen. Deutlich wird der Zusammenhang zwischen Politik und Gründungsdaten von Karnevalclubs in nachfolgender Aufstellung: 1945-1950 Gründung von 14 KC Nach der einzigen vorhandenen DDR-Statistik gab es 1988 insgesamt 1344 KC, davon 8 in Ostberlin, 143 in Mecklenburg-Vorpommern, 183 in Brandenburg, 230 in Sachsen-Anhalt, 298 in Sachsen und 424 in Thüringen. Diesen KC gehörten ca 70000 Karnevalisten an. Pro Jahr gab es ca. 15000 Veranstaltungen mit ca 6,5 Mio Besuchern. Hinweis: Zwischen der Gesamtzahl einerseits und der Zahl der Gründungen andererseits besteht eine Diskrepanz. Die Gründungsdaten waren in der DDR-Statistik von 1988 nicht bekannt. Sie mussten der BDK-Statistik von 1992 entnommen werden – zu der Zeit aber existierte ein erheblicher Teil der DDR-KC (die alle ihren Träger verloren) nicht mehr. Die BDK Statistik zählt auch etwa 100 KC mit, die erst nach 1990 gegründet wurden. Dennoch sind diese Zahlen insofern aussagekräftig, als sie die Tendenzen widerspiegeln. |
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1946 bis 1952 |
Gründung der Karnevalclubs z.B. in Herzberg, Annahütte, Lenzen, Pretzsch, Nebra, Reuden, Deersheim, Kläden, Geising, Wasungen , Polzig, Treffurt, Dietzhausen, Breitenworbis Wiederaufleben der sorbischen Fastnacht (Zapust), die sich allerdings abseits von den Karnevalclubs hielt |
1948 |
In Schinne (Altmark) wird mit Polizeieinsatz der uralte Fastnachtsbrauch des Wurstblasens abgebrochen. |
1953 |
Der Handwerker-Musikverein Benshausen gründet einen Karnevalsclub, der Umzüge durchführt. Diese werden ab 1960 verboten. |
nach dem 17.06.1953 |
Erlaubnis der Firmenwerbung für den Karneval (nur Handel, Gastronomie), die ab 1956 wieder zurückgezogen wurde. |
1954/55 |
An Hoch+Fachschulen werden Karnevalclubs gegründet, z.B. Magdeburg, Köthen, Bernburg, Jena. Sie organisierten Umzüge. 1957 wurde der KC in Köthen verboten. |
1954 | Das spontane Faschingstreiben in Schulen, Kitas und Betrieben zum 11.11. nahm zu. |
1955 |
Der Stassfurter Männerchor gründete den Karnevalsclub „Schiefer Turm“. Die Macher werden nach 3 Jahren verhaftet. 1959 gründet sich dieser Verein neu. |
1955 |
Ein Potsdamer Jugendklubhaus machte ein Preisausschreiben um den besten Karnevalsschlager. 1980 gab es einen erneuten Wettbewerb. Diese Mal um das beste Saison-Motto. |
1956 | Der VEB Kranbau Köthen gründete eine Kulturgruppe Karneval. |
1957 | Der KC Dabel machte einen Umzug und verhaftete den Bürgermeister. |
1959 | Die BSG Traktor Werther gründete einen KC. |
2013 | Der neue Ministerpräsident des Landes Brandenburg Dietmar Woidtke führt die Tradition des Tollitätenempfanges in der Staatskanzlei weiter. |
1959 | FDJ-Zentralrat veranstaltete in Rostock einen „Karnevalsumzug“. |
ab 1961 | Behörden gründeten Dorfklubs zur Förderung der Kultur. Sie wurden „Träger“ für die Karnevalclubs. |
1962 |
Das Volkspolizei-Kreisamt Suhl genehmigte den „Propagandaumzug“ der Karnevalisten von Viernau, schriebt aber eine bestimmte Route vor und erteilte Auflagen. |
1964 |
Die KG Ostensia NAGEMA Neubrandenburg veranstaltete einen Karneval nach einem „Spielbuch“, welches 19 Seiten umfasste. |
ab 1969 |
DDR-KC organisierten in Eigenregie DDR-Präsidententreffen (2x pro Jahr). Folgende Treffen hat es gegeben: |
1969 |
Einführung des Kinder- und Jugendschutz bei Abendveranstaltungen |
ab 1970 |
Alle KC erhielten einen Träger (Betrieb, Kulturhaus, Dorfklub, Sport- oder einen anderen Verein). Es war eine Trägerschaftsvereinbarung abzuschließen. Den Träger suchten die KC selbst, manche hatte vorher schon einen. Jetzt aber war es Pflicht, da die KC keine juristische Person waren. Der Träger verwalteten ein „Verwahrkonto“ für die KC. |
1971 |
Einstufung von Volkskunstkollektiven und Solisten und Einführung von Honoraren für Künstler der Unterhaltungskunst |
1972 |
Der CC Leegebruch wagte einen Umzug mit Rathausbesetzung. |
1973 |
Das Plenum des Zentralkomitee der SED formulierte einen neuen, sehr weitgefassten Kulturbegriff. Danach zählte Karneval zum künstlerischen Volksschaffen und war also förderungswürdig Dazu wurden eine Reihe schon bestehender Regelungen benutzt bzw. neue erlassen. |
1973 |
Einführung der Vergütung von Amateur-Tanzmusikern und des Versicherungsschutzes bei kultureller und sportlicher Tätigkeit. |
1973 | Faschingsclub der CDU Erfurt (so etwas gab es auch in Cottbus) |
1974/75 |
Das Zivilgesetzbuch der DDR ersetzte das BGB. Damit wurden Vereinigungen unter der Prämisse "Staatstreue" erlaubt. |
1976 |
Es wurden Kriterien für Arbeitsgemeinschaften im künstlerischen Volksschaffen erstellt und die Stellung und Finanzierung der Dorfklubs und der Klubs der Werktätigen wurde geregelt. |
1977 |
Soziologische Umfrage zu Freizeitvorlieben: |
ab 1978 |
Präsidententreffen unter staatlicher Regie (Kulturministerium). Sie fanden statt Resonanz dieser Treffen: 1969 = 7 Präsidenten, 1989 = 350 |
1979 | Erstellung genereller Richtlinien über künstlerisches Volksschaffen |
ab 1980 |
Es werden weitere gesetzliche Regelungen zum Karneval gefasst. Es wurden verstärkt offen kritische Büttenreden, z.B. über den DDR-Spitzensport (Neubrandenburg), über die Kleingärtner (Meißen), über Betriebsleiter (Babelsberg) und über Wirtschaftspolitik (Schwerin) gehalten. |
1980 |
Polizeistunde bei Veranstaltungen |
1982 |
Festlegung der Einstufung der Karnevalsclubs und Möglichkeit der Auszeichnung als "Hervorragendes Volkskunstkollektiv" |
1982 |
Das Stassfurter Präsidententreffen beklagte „fehlendes Verständnis der Behörden für den Karneval. |
1982 |
Jährliche Herausgabe der Schriftenreihe „Wir feiern Karneval“ des Zentralhauses für Kulturarbeit mit Beiträgen/ Beispielen von KC, Beiträgen von Kulturwissenschaftlern und –funktionären. Die Bezirkskabinette für Kulturarbeit gaben ebenfalls Schriftenreihen heraus. |
1983 | Festlegungen zum Versicherungsschutz von Volkskunstkollektiven |
1983 |
Die MfS-Bezirksverwaltung Suhl stellte im Abschlussbericht fest, dass der Scherungseinsatz Wasunger Karneval ein Erfolg war. |
1985 |
Beim Erfurter DDR-Präsidententreffen gab es Streit zwischen der Konzeptionen der Behörden zum Karneval -Karneval ist Unterhaltungskunst- und der der Karnevalisten -Brauch mit den Genres Musik, Wort, Tanz. Der Streit endet mit einem Kompromiss das alles ist möglich. |
1985 |
Ab jetzt fanden unregelmäßig Werkstätten in den Bezirken statt. Diese waren Leistungsvergleiche für KC). Ebenso begannen die Einstufungen von KC unter der Regie des jeweiligen BAK. |
1986 | Festlegungen zur Kalkulation von Eintrittspreisen für Karnevalsveranstaltungen, sowie zum Gesundheits-, Arbeits-und Bandschutz bei Karnevalsveranstaltungen |
1986 |
Anordnung der Regierung über die Rechtsstellung, Anleitung und Finanzierung ehrenamtlich geleiteter Karnevalsclubs als Grundsatzregelung! |
1987 |
Der Erfurter Büttenredner Rolf Fliedner erhielt nach einer Rede Auftrittsverbot. Er war zu diesem Zeitpunkt Mitglied des ZAK. |
1987 |
Der LKC Babelsberg brachte trotz Druckverbots durch den Stadtrat Potsdam ein Programmheft heraus. Der Druck erfolgte in der SED-Kreisdruckerei. Der KC Wasungen gestaltete bereits jedes Jahr ein Programmheft. |
1987 | Die Westberliner KG Rot-Gold besuchte ohne Genehmigung den KC Friesack. |
1987 | Der ZAK schätzt die Zahl der DDR-KC auf 1700, allerdings fehlen konkrete Belege. |
1988 | 1.Lehrgang für Büttenredner des Zentralhauses für Kulturarbeit |
1988 |
Beim Wasunger 453.Karneval beteiligten sich am Umzug 62 Gruppen. Ähnlich gut war die Beteiligung bei Umzügen in Sachsen. |
1988 |
Im Kulturpalast Dresden erfolgte die einzige Fernsehaufzeichnung einer Karnevalsveranstaltung. Diese wurde allerdings nie ausgestrahlt. Der Moderator wurde mit einem Auftrittsverbot belegt und Kulturhausmitarbeiter entlassen. |
1988 | Der Neubrandenburger KC Narretania hat ein ein 37 Seiten umfassendes Spielbuch. |
1989 | Beim Neubrandenburger Präsidententreffen wurde ein „Ehrenorden des ZAK“ gestiftet. Leider zu spät. |
1990 |
Der ZAK beschloss im November die Auflösung der SED-Parteigruppe in dieser Einrichtung. Das Zentralhaus für Kulturarbeit beendete die Trägerschaft über den ZAK . |
1990 |
Von den 1344 Karnevalsclubs (1988) traten ca.900 dem BDK bei. Der Rest war nicht beigetreten bzw. hatte sich infolge des Verlustes ihres Trägers aufgelöst. Von diesen Clubs führten 628 den Namen Karneval/Carneval und 105 Fasching. Einige hatten originellere Namen, wie z.B. Gilde, Dörpschaft, Zunft und in Thüringen gar Ortsspitznamen wie Sandhoase, Rasselböcke... Wenige Klubs waren sich ihrer historischen Vorläufer bewusst, z,B Wasungen 1524, Wittichenau 1706, Laucha 1882. Der Name Club /Klub war behördlicherseits vorgeschrieben gewesen. Die rechtliche Bedeutung war, dass ein Club keine juristische Person war. |